Das bedeutet die normalen Ausbildungsschwerpunkte wie Navigation, Törnplanung etc. wie bei einem Meilentörn zum Erlangen des Hochseeausweises haben eine geringere Relevanz.Ebenso wird beim CCS Manövertörn Motor nicht darauf geschaut, ob man die 100SM für den Hochseeausweis Motor auch erreicht. In der Regel ergeben sich in der Woche 100SM, muss aber nicht sein, denn es wird eben auch nicht angestrebt.
Holland mit seinen Kanälen und Wasserstrassen ist ein ideales Ausbildungsgebiet für einen Manövertörn. Das Ijssel- und Marker-Meer als offenes Gewässer bietet die Möglichkeit Manöver auf See zu üben, z.B. das MOB-Manöver. Gerade die vielen Häfen, aber auch Schleusen und Brücken sind einfach perfekt für einen Manövertörn, denn jeder Besuch in einem Hafen für Kaffee und Kuchen, jede Schleuse, jedes Warten vor einer Brücke mit Seitenwind ist ein Manöver wo die Person am Steuer gefordert ist um das Schiff zu beherrschen.
Bei unserem Manövertörn 08-2021-40MT im Oktober 2021 war die Törnplanung auch entsprechend darauf ausgelegt, jeden Mittag einen Hafenbesuch mit Kaffee und Apfelkuchen, aber auch entsprechende Wasserwege und Kanalfahrten einzuplanen.
Bereits in der ersten Nacht am Samstag in Volendam haben wir etwas mehr Action erlebt.
Wir lagen sicher vertäut im alten Stadthafen als sich ein veritabler Sturm für die Nacht mit Windstärken von 6-7 Bf ankündigte. Die Rolling Swiss lag an der Aussenmole im Hafen, der Sturm kam platt auf die Seite. Um ca. 02:00 Uhr hat ein Knall den Skipper geweckt, danach lag das Schiff merklich anders im Wind.
Was war geschehen?
In der Nacht hat der Wind etwas gedreht und so hat sich die Belastung auf die Festmacher geändert. Eine Leine hat dieser Belastung nicht standhalten können und ist gerissen. Da die Leine keine eigentliche Scheuerstellen aufwies, gehen wir von einer klassischen Materialermüdung aus. Das Schiff war nicht in Gefahr, andere Leinen haben den Ausfall von diesem Festmacher aufgefangen. Trotzdem ist der Skipper aufgestanden und hat die defekte Leine entfernt, zwei neue zusätzliche Leinen gelegt. Am Morgen hat es zwar noch geregnet, der Sturm hatte sich aber gelegt. Beim Frühstück auf dem Schiff wurde die gerissene Leine als ein ungeplanter Ausbildungspunkt mit der Crew diskutiert.
Und so ging die Reise gemäss Törnplan weiter.
Am Dienstag unterwegs durch die Gewässer vom Friesland von Workum nach Lemmer ist uns nach einem herrlichen Kaffee-Stop in Heeg in den Gewässern De Küfurd ein kleines Segelboot aufgefallen. Die jugendliche Besatzung hat ganz wild mit den Armen gewunken, so wie man es in der Ausbildung als Notsignal lehrt. Offensichtlich ist das Segelboot auf Grund gelaufen und konnte sich nicht selber wieder befreien. Wir sind also mit der Rolling Swiss zu diesem Boot gefahren. Aber Vorsicht, zu nahe konnten wir mit unserer Yacht nicht an den Havaristen ran ohne selbst in die Untiefe zu geraten und unser eigenes Schiff zu gefährden. Somit musste die Rolling Swiss mit dem Bug in den Wind von ca. 3-4 Bf mit Böen bis 5 Bf im freien Wasser auf Position gehalten werden.Die Crew hat auf dem Vorschiff mit der Besatzung vom Segelboot kommuniziert und die Hilfeleistung abgesprochen. Dank den Handfunkgeräten konnte sich unsere Crew wiederum mit dem Steuermann austauschen.
Das Vorhaben war, mit unserer Rolling Swiss das Segelboot aus der misslichen Lage zu befreien. So wurden schnell unsere Festmacher zu einer langen Leine zusammengeknotet. Die Segelboot-Crew hat auch ihre Leinen eingebracht um die Distanz von doch ca. 100m zu überwinden. Tja, so schnell kann plötzlich das theoretisch Gelernte in einer Praxis-Situation gefragt sein. Wie war das noch mit den Knoten, soll es jetzt ein Kreuzknoten sein oder ein Schotstek oder doch lieber ein Palstek?
Die Leine war gelegt und mit den kräftigen Motoren der Rolling Swiss konnte das Segelboot aus der Untiefe gezogen werden. Die Besatzung hat sofort ihr Segelboot wieder geentert und sich überschwänglich bei uns bedankt, nach dem Motto «vielen-vielen Dank, jetzt ist alles gut, jetzt schaffen wir das». Für uns war aber klar, wir können die Havaristen nicht verlassen solange nicht sichergestellt ist, dass ihr Boot auch fahrtauglich ist, also dass der Motor auch anspringt und das Boot bewegen kann.
So haben wir die Rolling Swiss erneut im Wind auf Position gehalten.Unsere Bedenken haben sich leider bestätigt, die Besatzung konnte ihr Schiff nicht in Fahrt bringen.Einerseits konnte das Steckruder nicht wieder montiert werden, möglicherweise wurde es beim Auflaufen in der Untiefe beschädigt. Andererseits liess sich der Aussenborder nicht starten. Nach kurzer Absprache haben wir das Segelboot in Schlepptau genommen und es zum nächsten sicheren Hafen gebracht, den Yacht Hafen De Koevoet.
Am sicheren Steg im Hafen hat sich die Besatzung ausserordentlich und herzlich für unseren Einsatz bedankt. Die Jugendlichen waren sichtlich erschöpft, die Vertauungs-Aktion im kalten Wasser, aber auch die ganze Situation hat an ihren Kräften gezehrt. Sie haben uns auch erzählt, dass doch einige Motorboote vorbeigefahren sind ohne auf ihre Hilfezeichen zu reagieren. Sie waren schon ein wenig verzweifelt, bevor wir zu Hilfe kamen. Tja, soviel zu guter Seemannschaft.
Und wieder setzen wir unseren Törn fort, gespannt was uns sonst noch Unverhofftes begegnen könnte.
Nach drei erfolgreichen Schleusenmanövern haben wir in Lemmer dann einen prominenten Platz mitten im Zentrum gefunden und das Essen beim nahen Italiener war einfach vorzüglich. Was soll man da sagen, Lemmer ist einfach schön, immer einen Aufenthalt auf eigenem Kiel wert. Auf dem Weg nach Lelystad kurz vor dessen Schleuse hat der Steuermann plötzlich eine unruhige Fahrt gespürt. Dann beim Lastwechsel, also beim Umschalten von vorwärts auf rückwärts haben wir ein «Klong» gehört, das Geräusch wie wenn Metall auf Metall aufschlägt. Die Taucherfahrenen der Crew meinten, es klänge wie wenn zwei Tauchflaschen aufeinander stossen würden. So sind wir vorsichtig und bei langsamer Fahrt in den geplanten Hafen gefahren. Im Hafen haben wir dann versucht das Problem zu lokalisieren. Das Geräusch kam nachweislich vom Backbord-Motor respektive Antrieb. Der gerufen Mechaniker von MYS hat am anderen Morgen analysiert, entweder ein Getriebe- oder ein Kupplungsplatte-Schaden. Eine andere Möglichkeit wäre ein loser Propeller auf der Welle. Ein Taucher hätte ev. den Verdacht vom Propeller bestätigen können, wenn überhaupt. Beheben können hätte aber auch der Taucher das Problem nicht. Somit mussten wir eine Kranmöglichkeit für unsere 20t Rolling Swiss suchen. Wir hatten Glück, gegen Mittag hatten wir einen Krantermin in einer nahen Werft, welche wir mit nur einem Motor vorsichtig ansteuerten. Manövrieren mit nur einem Motor auf engem Raum, wieder eine Erfahrung mehr die man normalerweise so nicht macht. Glücklicherweise hat sich das Problem als Bagatelle entpuppt, kleine Ursache mit grosser Wirkung. Im Propeller haben sich eine oder mehrere Leinen verfangen. Das ist normalerweise nicht so tragisch, das kommt öfter vor. In der Regel bleibt die Schnur bis Saisonende am Antrieb und wird dann im Winterlager entfernt. In unserem Fall war aber ein Stück Metallrohr an der Leine befestigt. Dieses Metallrohr hat dann beim Wechsel von vorwärts auf rückwärts und umgekehrt an den Propeller geschlagen. Für die Reparatur war somit kein grosses, schweres Werkzeug nötig. Ein gutes Skipper-Messer und 10 Minuten später waren wir wieder im Wasser auf dem Weg zu unserer nächsten Destination gemäss Törnplan.
Wie immer in der Seefahrt, in Törnplan ist ein Plan und richtet sich insbesondere nach dem Wetter und/oder nach anderen ungeplanten Ereignissen.
Dieser Manövertörn 08-2021-40MT hat aber doch mehrere spannende und ungeplante Ereignisse hervorgebracht. Und diese Ereignisse haben den Erfahrungsschatz der ganzen Crew inklusive dem Skipper erweitert, kommt doch Erfahrung von «Erfahren».
An dieser Stelle ein grosses Danke an die Crew Katrin, Marcel, Peter und Werner, es war ein sehr schöner und lehrreicher Törn.
CCS Skipper Richard Lebeda
P.S. Das mit dem Kaffee und Apfelkuchen haben wir konsequent durchgezogen